Welche sozialen Gruppen sind in welcher Phase der Katastrophenbewältigung und des Wiederaufbaus besonders vulnerabel? Welche speziellen Bedürfnisse haben diese Gruppen und wie können die verschiedenen Hilfsorganisationen besser zusammenarbeiten, um diese zu decken? Antworten auf diese Fragen zu finden war das Ziel des Workshops, der am 18. März auf dem Campus Remagen der Hochschule Koblenz stattfand. 30 Vertreter*innen 22 verschiedener Institutionen tauschten dazu ihre Erfahrungen aus und entwickelten konkrete Ideen, wie insbesondere Menschen mit psychischen Belastungen oder Behinderung, Kinder und Senior*innen während des Wiederaufbaus im Ahrtal besser unterstützt werden können.
Eine zentrale Forderung der Teilnehmer*innen ist die langfristige und beständige Bereitstellung psychosozialer Angebote. „Da ist immer noch Bedarf!“ betonte Gerhard Schreier von der Ortsgemeinde Rech, auch bei den zahlreichen Helfer*innen, die durch die traumatischen Erlebnisse selbst belastet sind. Dazu zählt auch, dass Begegnungsstätten und soziale Netzwerke weiterhin gefördert und ehrenamtlich Engagierte stärker durch hauptamtliches Personal unterstützt werden. Voraussetzung dafür sind ausreichend finanzielle Mittel - hier ist die Politik gefordert, diese Notwendigkeit anzuerkennen. Darüber hinaus wurde eine zentrale Stelle in den Verwaltungen als Instrument der Krisenkommunikation gefordert, die Bürger*innen sowie soziale Einrichtungen mit Ansprechpersonen und einer Hotline für alle Anliegen zum Wiederaufbau zur Seite steht. Eine ausreichende und zielgruppengerechte Information ist ebenfalls unerlässlich. Mehrfach betont wurde außerdem die große Bedeutung, die proaktive Hilfsangebote für die bedürftigen Senior*innen und andere vulnerable Personengruppen haben, wie sie unmittelbar nach der Flut und bis heute von den Hilfsorganisationen wie den Johannitern, Maltesern oder dem Verein Fortuna hilft e.V. bereitgestellt werden.
Zwei Vorträge ergänzten die Diskussion und gaben tiefere Einblicke in die Situation vulnerabler Personengruppen: Pascal Koffer berichtete von seinen Erfahrungen in der psychosozialen Notfallversorgung nach der Flut und der Erkenntnis, dass diese unter anderem zu einer geringeren Belastung und einem positiven Umgang mit Stresssituationen bei Betroffenen führt. Frauke Weller vom Wassersportverein Sinzig e.V. gab interessante Einblicke in das Inklusionsprojekt „WassAHR“, in dem insbesondere Kindern mit Behinderungen positive Erfahrungen mit Wasser vermittelt werden. Weller setzt sich darüber hinaus für ein soziales Miteinander im Ahrtal ein: „Wir leben derzeit in einer Welt, in der sich Gruppen abspalten, aber wir haben hier im Ahrtal sozialen Zusammenhalt erlebt. Eigentlich könnten wir eine wunderbare Modellregion sein!“.
Susanne Bell, Projektkoordinatorin von SOZIAHR und Leiterin des Workshops, rief am Ende dazu auf, dass sich die zahlreichen Akteur*innen des Ahrtals zusammenschließen und eigenständig Arbeitskreise organisieren, um die gesammelten Ideen weiter voran zu bringen und letztlich in die Tat umzusetzen.
Organisiert wurde die Veranstaltung vom Forschungsprojekt „SOZIAHR“ der Universität Bonn, mit freundlicher Unterstützung durch das Kompetenznetzwerk „Wissenschaft für den Wiederaufbau“ (WfdW) und den Verein Zukunftsregion Ahr e.V. Im transdisziplinären Projekt „SOZIAHR“ forschen Wissenschaftlerinnen zu den sozialen, ökonomischen und administrativen Herausforderungen in Zeiten des Klimawandels im Ahrtal. Dazu finden im Laufe des Jahres weitere Workshops statt, in denen alle Interessierten herzlich eingeladen sind, ihre Erfahrungen und Ideen rund um das Thema einzubringen!